
Das Seminar | sozialästhetische
Schulungsstätte, Basel
- Erkenntniswissenschaft
- Sozialästhetik
- Ethischer Individualismus
in Fortführung des 1973 von Herbert Witzenmann in Arlesheim begründeten
Seminar für Freie Jugendarbeit, Kunst und Sozialorganik
Die ersten 33 Jahre des Seminars
R.A.Savoldelli, Samothrake 2006
Am 3. Juni 1973 eröffnete Herbert Witzenmann am Dornachweg 14 in Arlesheim - in Erweiterung seiner Aufgabe als Mitglied des „Goetheanum Freie Hochschule für Geisteswissenschaft“ - mit einem Gründungsvortrag den Seminarbetrieb. Auf den Tag genau dreissig Jahre zuvor hatte Marie Steiner am 3. Juni 1943 ohne Wissen ihrer VorstandskollegInnen den Rudolf Steiner Nachlassverein begründet und ihm ihre Urheberrechte (frühere Verträge nannten an dieser Stelle jeweils die Vorstandsmitglieder Albert Steffen und Günther Wachsmuth) übertragen. Auf diese chronologische Koinzidenz, die bei der Seminarbegründung keine Erwähnung fand, weise ich hier erstmalig hin. Sophie Rotmann hatte in ihrem Hause das Erdgeschoss den Bedürfnissen des Seminars entsprechend baulich abgeändert und ihm kostenlos zur Verfügung gestellt. - Im November 1974 begegnete ich zum ersten Mal Herbert Witzenmann in jenen Räumen. Er hielt drei Vorträge über "Kunst- und Kunsterkenntnis". Bei den fünf in jenen Jahren jeweils im Sommer in Gsteig bei Gstaad stattfindenden, historisch gewordenen Tagungen 1972-1976 war ich noch nicht dabei. Sie hatten für das Verständnis einer geistsozialen Gemeinschaftsbildung unter den Anwesenden eine grosse Bedeutung, wie ich noch nach Jahrzehnten feststellen konnte. Sieben Jahre nach der Begründung stellte er seine Tätigkeit innerhalb des Seminars über mehrere Monate ein, nachdem es zu einem Bruch mit seinem damals aktivsten Mitarbeiter in der Frage gekommen war, wie die weitere Ausgestaltung des Seminars erfolgen solle. Er informierte mich auf meine dringlichen Anfragen hin in mehreren Briefen in jener schwierigen Zeit über die inneren und äusseren Bedingungen eines Wiederaufgreifens seiner Seminartätigkeit. So begann er im Sommer 1981 mit einer anzahlmässig geschrumpften Trägerschaft von Neuem und dies auch an einem neuen Ort in unmittelbarer Nähe des Goetheanums. Das Haus am Juraweg 14 oberhalb des Goetheanumbaues war ihm von der Alanus-Stiftung und ihrer ein Jahr zuvor verstorbenen Begründerin Betty Lipin testamentarisch übertragen worden. Von jenem Zeitpunkt an war ich vollberuflich für das Seminar und als Handlungsbevollmächtigter des Gideon Spicker Verlages/Dornach in der Zeit seines Aufbaues (1981-1988) tätig. Der Gideon-Spicker-Verlag veröffentlichte Witzenmanns erkenntniswissenschaftliche und anthroposophisch-geisteswissenschaftliche Schriften in rascher Abfolge, sodass bis zu seinem Tode sieben Jahre später über dreissig Titel greifbar waren (Sie finden sich unter www.gideonspickerverlag.ch). Zuvor hatte ich bereits das Manuskript des Werkes "Die Philosophie der Freiheit als Grundlage künstlerischen Schaffens" als Druckvorlage erstellt. Zu jenem Zeitpunkt lagen von ihm lediglich erst zwei Schriften gedruckt vor (es waren dies "Vererbung und Wiederverkörperung des Geistes" und "Die Tugenden"). Der weitaus grösste und bedeutendste Teil seines wissenschaftlichen Werkes ist somit zwischen seinem 76. und 83.Lebensjahr entstanden. Eine erstaunliche Tatsache! (Die beiden letzten, vor seinem Tod erschienenen Schriften waren "Goethes universalästhetischer Impuls" und "Der Urgedanke". Sein erkenntniswissenschaftliches Hauptwerk "Sinn und Sein", an dem er in den letzten Lebenstagen noch gearbeitet hatte, erschien posthum im Verlag Freies Geistesleben.) Einige Zeit nach seinem Tod wurde die Zusammenarbeit seiner früheren Mitarbeiter und Schüler von Krisen belastet. Sie brachen innerhalb des Vorstandes des Gideon Spicker Vereins aus, dessen Begründung auf meine Initiativen hin zur Sicherung des Seminars und des Verlages im Zusammenhang mit den testamentarischen Verfügungen von Herbert Witzenmann erfolgte und deren Gründungsversammlung im Dezember 1984 ich in Anwesenheit von Herbert Witzenmann zu leiten hatte. Mir war damals wie fast allen Teilnehmenden die Tatsache unbekannt, dass ein weitreichendes, Frau Jutta Knobel-Weitz betreffendes Testament, Witzenmanns Urheberrechte betreffend, bereits vorlag. Kurz vor seinem Tode unterzeichnete Herbert Witzenmann überdies die Stiftungsurkunde für eine "Herbert Witzenmann-Stiftung", dessen (nach dem Tod von H.Witzenmann) erster Vorsitzender Ernst Reinl von Witzenmann als sein Nachlassverwalter des erwähnten, personenbezogenen Testamentes eingesetzt worden war. Die Verbindung dieser beiden testamentarischen Verfügungen, wie sie Herbert Witzenmann veranlagt hatte, kam nicht zustande, da der Stiftungsrat der Herbert-Witzenmann-Stiftung, auch unter dem Einfluss der bald darauf in die Stiftung Einsitz nehmenden Mitglieder der Familie, dem ausführlichen, auf Jutta Knobel-Weitz lautenden Testament von 1981 keine Gültigkeit mehr zuschrieben. Auch die Lösung der anderen Hauptaufgabe - sie tritt in vielen kulturellen Einrichtungen des Geisteslebens auf -, die Initiativen, die von den nachfolgenden Schülern ausgehen, mit der Bereitstellung und Erarbeitung der im Druck niedergelegten Forschungsergebnisse des Gründers über den Tod hinaus im Bewusstsein der gemeinsamen Aufgabe von Lebenden und Verstorbenen zu pflegen, misslang gründlich. Gleichwohl gelang es zum hundertsten Geburtstag von Herbert Witzenmann im Jahre 2005, drei Bände seines selbstbiographischen Schaffens innerhalb des Seminar-Verlags zu veröffentlichen. Es handelte sich dabei um die Lebenserinnerungen in Briefen unter dem Titel „Lichtmaschen“, den autobiographischen Roman „Silberlöffelchen“ und die Gedichtbände „Lyrische Biographie“. - Die Veröffentlichungen besorgte Jutta Knobel-Weitz mit der finanziellen Unterstützung des I.M.Rotmannfonds, Arlesheim. Überdies bestätigte Arno Mehlin, der zweite Testamentvollstrecker Witzenmanns nach dem Tod von Ernst Reinl, die Annahme seines Testaments durch Jutta Knobel-Weitz und bestätigte damit erneut seine Rechtsgültigkeit. Um die Jahres- und Jahrtausendwende 1999/2000 traten auf verschiedenen Ebenen Brüche auf, als die Alanus-Stiftung und die Herbert-Witzenmann-Stiftung sich zum Kauf eines grossen Wohnhauses in unmittelbarer Sichtnähe des Goetheanumbaues entschlossen und dafür das von der Begründerin der Alanus-Stiftung zur Verfügung gestellte Haus verkauft wurde. (Ich hatte meine Zustimmung hierfür von der Klärung der offenen "Seminarfrage" abhängig gemacht.) Das frühere Wohnhaus Stuten / Jenny wurde unter dem Namen "Herbert Witzenmann-Zentrum" in einer Art eröffnet, mit der ich mich nicht einverstanden erklären konnte. In den letzten vier Lebensjahren Herbert Witzenmanns habe ich mit ihm verschiedene Grundstücke und Bauprojekte geprüft, die für den weiteren Ausbau des Seminars in Frage hätten kommen können. Witzenmann hatte hierfür verschiedene programmatische Darstellungen wie auch eine Skizze für das bauliche Aussenmodell angefertigt. Das Konzept einer "sozialästhetischen Schulungsstätte" oder eines „sozialästhetischen Instituts", wie wir es unter uns nannten, unterschied sich von dem Seminar-Betrieb des späteren „Herbert-Witzenmann-Zentrum“. Der Maler Beppe Assenza war willens, seine Malschule zusammen mit der Übereignung einer repräsentativen Sammlung seiner Bilder mit unserem Vorhaben zu verbinden. Bei der Eröffnung des „Herbert-Witzenmann-Zentrums“ Ende 1999 wurde der einzigen, von Herbert Witzenmann persönlich begründeten Einrichtung, dem Seminar für freie Jugendarbeit, der räumliche Einzug verwehrt, indem hierfür unerfüllbare Forderungen nach Mietzinsbeiträgen und in erster Linie der Verzicht auf die weitere Nutzung des Seminarnamens erhoben wurden. In den Jahren 2000 bis 2003 verzeichnete das Seminar einen gewissen Aufschwung, der mit grossen Anstrengungen verbunden war. Es traten einige neue Menschen an die Arbeit heran, andere, die das Seminarleben in seiner Begründungszeit kennengelernt hatten, fanden erneuten Zugang. Regelmässige Studientreffen und öffentliche Wochenendtagungen fanden wiederum statt (durchgeführt in der Münchensteiner Rudolf-Steiner-Schule). Sie widmeten sich über längere Zeit jeweils einem Thema und führten bei den Teilnehmern zu wichtigen Vertiefungen ihrer Anschauungen. Zwei Themenkreise standen im Vordergrund. Der erste betraf das Verständnis der Stufenabfolge im geistigen Prozess der Erdevolution, der zweite die gedanklichen und stimmungsmässigen Faktoren möglicher Weltanschauungen. - Jene Zeit war durch zwei grössere Tagungsprojekte eingerahmt: den Beginn markierte die Tagung "Die kosmische Evolution der Erde und der künstlerische Prozess", die über die Jahrtausendwende in Oriago/Venedig stattfand, das Ende die aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Seminars wiederum inmitten der Berner Alpenwelt in Gsteig durchgeführte Tagung mit dem Thema "Die Bildung einer allgemeinen anthroposophischen Gesellschaft als sozialästhetische Aufgabe" (19.-26.Juli 2003). - Doch war auch jene Zeit nicht frei von Spannungen. Sie traten unter anderem in Verbindung mit den wiederholt gemachten Vorschlägen zur Änderung des Seminarnamens auf, wobei besonders die "freie Jugendarbeit“ (ein ziemlich antiquiert wirkender Ausdruck) für Unbehagen sorgte. Ich war zunächst mit einer Namensänderung einverstanden, musste dann aber mein Einverständnis, das auch andere Mitarbeiter nicht zu erbringen willens waren, wie- derum zurückziehen, nachdem festzustellen war, dass die Kritik der am entschiedensten Änderungswilligen sich ganz allgemein auf Person und Werk des Seminarbegründers zu übertragen begann. Auch hier kam es zu Rücktritten. Am 17. Dezember 2004 kam es im Haus der ursprünglichen Seminarbegründung am Dornachweg in Arlesheim zur Begründung der Seminar-TrägerVereinigung (im Sinne eines Vereins lt.Schweiz. Zivilgesetzbuch §60ff). Anwesend waren acht Personen. Bestätigt als Vereinsvorsitzender wurde R.A.Savoldelli. Das Protokoll schrieb Stephan Seidel, der sowohl zum Erscheinen der Schriften Witzenmanns im SeminarVerlag wie zur Vorbereitung der Vereinsbegründung initiativ beigetragen hat. Die letzten drei Jahre wurden durch die Unterstützungsbereitschaft der von Sophie Rotmann begründeten Stiftung erleichert, die mit der finanziellen Hilfe für die Gsteiger Tagung begann. Sie hatte den Umzug des Seminarbüros an die Erstadresse in Arlesheim zur Folge. Zu einem weiteren, wichtigen Faktor wurde die Tatsache, dass Jutta Knobel- Weitz, die in den sechziger Jahren mit Herbert Witzenmann und der von ihm geleiteten Jugendsektion am Goetheanum Bekanntschaft schloss, dem Seminar wiederum näher trat. Das führte 2005 und 2006 im Zusammenhang mit den an verschiedenen Orten begangenen Feiern zum hundertsten Geburtstag von Herbert Witzenmann zur Herausgabe dreier bedeutender Werke aus seinem bislang noch wenig bekannten literarischen Werk. Um diese Herausgabe durch einen personell definierten sozialen Träger zu unterstützen, begründete die Mehrheit der Seminarmitarbeiter im Dezember 2004 die Seminarvereinigung, für die ich die Leitungsverantwortung übernahm. Von dieser Verantwortung trete ich hiermit zurück, da keine gemeinsamen, wirkkräftigen Ziele mehr beobachtbar sind, die eine Fortführung der Seminarvereinigung in Übereinstimmung mit seiner Begründung notwendig erscheinen lassen. Ich erkläre somit die Arbeit in dem nun historisch gewordenen «Seminar für freie Jugendarbeit, Kunst und Sozialorganik» als geschlossen. Davon ist der Seminar-Bücherdienst, für den eine Neuregelung gefunden werden muss, und die Kooperation der in ihm und für ihn weiterhin Zusammenarbeitenden nicht betroffen. (Diese Neuregelung trat Ende Juni 2007 mit der Umbenennung in «der SeminarVerlag» und seiner Übersiedlung nach Basel in Kraft, Anm.) - Es wäre gewiss lohnenswert, wenn einmal eine ausführliche Geschichte des Seminars als eines historischen Beispiels für die Gestaltung einer modernen Erkenntnisgemeinschaft geschrieben würde. Die nötigen Dokumente hierzu stehen bereit. Dabei würde eine Aufgabe erlebbar, die heute für alle guten Willens Gültigkeit hat. Sie hat sich dem Begründer des Seminars gestellt wie allen anderen, welche das Seminarprojekt in Gang hielten. Sie betrifft die Ausübung der seeli- schen Beobachtung beim Verstehen der individuellen Entwicklungswege und ihrer dabei sich abzeichnenden Hemmnisse und Krisen sowie die Neigung, die eigene Entwicklung an der Fähigkeit zu messen, diejenige der mit mir Verbundenen unterstützen zu können. Je entwickelter die Fähigkeit zur Ideenschau, umso grösser das Opfer, das in der angedeuteten moralischen Vervollkommnung liegt. Ich will einige Menschen nennen, die mit diesem Licht und mit dieser Aufgabe sich zu irgendeinem Zeitpunkt über eine kürzere oder längere Zeit in Verbindung gebracht haben, um danach ihren eigenen Weg weiterzuschreiten. Diese Nennung ist selbstverständlich unvollständig. Viele, die heute in wichtiger Stellung im geistigen und wirtschaftlichen Leben stehen, haben entscheidende Stärkung ihrer Selbsterkenntnis durch die Begegnung mit dem Seminar und seinem Leiter gewonnen. Ich beginne mit Prof. Dr.Götz Rehn, dem Begründer und Geschäftsführer des deutschen Handelsunternehmens AlnaturA. Als ganz junger Mann hatte er seine wohl erste Buchführungserfahrung im Seminarzusammenhang gemacht. Als ich 1981 die Buchhaltung für das Seminar übernahm, trugen die Buchungshefte in ihren ersten Teilen die Handschrift von Götz Rehn. - Seine 1979 publizierte Dissertation "Modelle der Organisationsentwicklung“ behandelt an zentraler Stelle das sogenannten „Gegenstrommodell“ aus der Sozialorganik Herbert Witzenmanns, der das Geleitwort als Leiter des Seminars für freie Jugendarbeit zeichnete. - In weiterem Zusammenhang dazu steht Prof. Dr. Götz Werner zu nennen, dem Begründer der dm-Kette in Deutschland und Oesterreich, der heute mit seinen Vorschlägen eines bedingungslosen Grundeinkommens in Presse und Fernsehen grosses Aufsehen erregt. Ich erinnere mich an ein Treffen eines wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitskreises, zu dem Herbert Witzenmann eingeladen hatte und der im Hause der dm-Direktion in Karlsruhe stattfand. Götz Werner erhielt daraufhin wie alle übrigen Teilnehmer das Manuskript Witzenmanns mit der Bitte um Durchsicht und Kritik zugestellt, das später von Götz Rehn im Gideon Spicker Verlag unter dem Titel "Geld als Bewusstseinsfrage" herausgegeben wurde. Aus dem Kreis der Gsteiger Tagungen nenne ich Ulf Waltz, des späteren Geschäftsführers einer Münchner Rudolf-Steiner-Schule, Werner Jordan, der eine grosse Arbeit bei der Vorbereitung und Administration der Tagungen leistete (und mit einer grösseren Bücherschenkung für den Grundstock der Seminarbibliothek sorgte), der später als Vorsitzender der Vereinigung "Gelebte Weihnachtstagung" für Schlagzeilen sorgte, Udo Herrmannstorfer, des aktivsten Seminarmitarbeiters im ersten Jahrsiebt, der später sein das "Dornacher Institut für Wirtschafts- und Sozialgestaltung" begründete und mit seinen Publikationen und Schulungskursen in zahllosen Einrichtungen des wirtschaftlichen und pädagogischen Lebens vertreten ist, die niederländischen Brüder Bergsma, von denen heute einer in der Heilpädagogik arbeitet, der andere ein Musikgeschäft in Arlesheim führt, Ernst Reinl, des vor kurzem verstorbenen Dornacher Schauspielers, Testamentsvollstrecker Witzenmanns (seinen schriftlichen Nachlass betreffend) und Vorsitzenden der Herbert-Witzenmann- Stiftung, Sophia Walsh, ebenfalls Schauspielerin am Goetheanum und Lehrerin an der Sprachschule. Sie war für einige eindrückliche Inszenierungen von Dramen Albert Steffens in Gsteig verantwortlich. Sie lernte Witzenmann schon früh nach seinem Eintritt ins Goetheanum kennen, übersetzte mehrere seiner Schriften ins Englische und organisierte in späteren Jahren die Vortragsreisen Witzenmanns nach Kalifornien und New York. Sie war nach seinem Tod lange eine tragende Stütze des Seminarkollegiums, bevor sie innerhalb des "Herbert-Witzenmann- Zentrums" mit Christina Moratschke das "Herbert- Witzenmann-Seminar" begründete, das im Zusammenhang der anthroposophischen Geselllschaft undefiniert blieb. Dann ist Christa Knapp, ebenfalls Schauspielerin am Goetheanum, zu erwähnen, welche aus dem Hintergrund selbstlos mitwirkte und dabei immer wieder das soziale Klima zu stärken verstand, wie auch der frühere Goetheanum- Schauspieler und Regisseur Michael Knapp, der die Seminargeschichte durch eine Inszenierung von Steffens "Hieram und Salomo" im Jahre 1980 mitschrieb wie auch durch die Vorbereitung einer Sprachschule, die im Zusammenhang mit dem Seminar stehen sollte, doch nicht verwirklicht wurde. In Gsteig waren waren die Eurythmistinnen Jutta Knobel-Weitz, Margarethe Eckinger, Rosemarie Mehlin sowie der Goldschmied und Kleinodienkünstler Arno Mehlin aktiv. - Dann ist der Norweger Torodd Lien zu nennen, der später in Oslo den Vidar-Verlag leitete und danach jahrelang für das Projekt BioSophia arbeitete. Er erkannte früh die Bedeutung schriftlicher Publikationen für das Seminar und leistete mit mir zusammen die wichtigste Arbeit in der Aufbauphase des Gideon-Spicker-Verlages in Abstimmung mit Herbert Witzenmann von Pforzheim aus. Er war auch Mitorganisator der Reise Witzenmanns nach Dänemark und Norwegen im Sommer 1985 und begleitete ihn bei seinen Vorträgen und Kursen in Kopenhagen und Oslo. - Ebenso Richard Weinberg, der später als Heileurythmist und Lehrer tätig wurde und der die letzten Jahre vor dem Tod von Herbert Witzenmann (und einige sogar darüber hinaus) in den Räumen der Witzenmann GmbH in Pforzheim als sein Sekretär arbeitete. 1977 begrüsste Witzenmann auch Pierre Tabouret als neuen Seminarmitarbeiter. Er hat später verschiedentlich, wenn er in örtlicher Nähe lebte, durch grundsätzliche methodische Vorschläge das Seminarleben bereichert und in seinem Rahmen verschiedene Tagungen durchgeführt und Vorträge gehalten. Für die anwesenden Franzosen hat er anlässlich der von ihm in Zusammenarbeit mit dem Seminar organisierten Pfingsttagung 1987 in Colmar Herbert Witzenmanns Vorträge übersetzt, wie er auch sonst einige Schriften in französischer Übersetzung veröffentlichte. Er war mit den Statuten der 2004 begründeten Seminarvereinigung nicht einverstanden und blieb daraufhin den Zusammenkünften fern. Heute arbeitet er als Logopäde in der heilpädagogischen Einrichtung Sonnhalde in Gempen und als Lehrer an der von ihm 2010 mitbegründeten Schauspielschule-Basel. (Seit der Pfingsttagung 2019 des Seminars, die in den Räumen jener Schauspielschule stattfand, gehört er wieder zu den tragenden Mitarbeitern des Seminars, Anm.2023). Im zweiten Seminarjahrsiebt waren es die Studenten um den Professor an der Dortmun- der Ruhruniversität Dr. Lothar Udert (der selbst an einigen Seminarveranstaltungen mitwirkte), welche die Seminartagungen besuchten und dabei bald auch mit eigenen Vorträgen auftraten. Zu Lebzeiten von Herbert Witzenmann arbeiteten sie nicht am Seminar mit, da sie ganz durch den Aufbau des eigenen "Initiativkreises zur Bildung eines zeitgemässen Hochschulbewusstseins" in Dortmund, der sich später zum "Novalis- Hochschulverein" in Kamp Lintfort wandelte, in Anspruch genommen waren. Sie veran- stalteten mehrere Kurse und Vorträge von Herbert Witzenmann in verschiedenen Universitäten des Ruhrgebietes. Zwischen ihnen traten die Brüche und Austritte aus dem gemeinsam Begonnenen relativ früh ein, sodass heute von dem ursprünglichen Menschen- kreis nur Dr. Klaus Hartmann (er betreut heute für die Herbert-Witzenmann-Stiftung dessen schriftlichen Nachlass) und Christina Moratschke für das Hochschulprojekt in Kamp Lintfort übrigblieben. Letztere arbeitete nach dem Bruch des Seminars mit der Alanus-Stiftung für etwa ein Jahr im Seminar mit, bevor sie ins Herbert-Witzenmann- Zentrum wechselte, um ihre Lehrtätigkeit in seinem Rahmen fortzusetzen. Jenem zu Beginn mit starker Zusammengehörigkeit auftretenden Studentenkreis gehörte auch Dr. Marcelo da Veiga-Cron, der heutige Rektor der Alanus-Hochschule in Alfter bei Bonn, an (die später als die erwähnte Alanus-Stiftung begründete Einrichtung hat nichts mit dieser zu tun). Seine Dissertation erschien im Gideon Spicker Verlag, wie auch diejenige von Dr. Jens Heisterkamp, des heutigen Chefredaktors und Herausgebers der Zeitschrift Info3, der in jenen Jahren immer wieder mit Vorträgen und Kurses an Seminarveranstaltungen mitwirkte. Zu jenem Kreis gehörte ebenso Ralf Lilienthal, heute Gärtnermeister und Autor von beliebten Kinderbüchern (Verlag Freies Geistesleben), Dr. Ralf Vanscheidt, Mathematiker und Astronom, heute Dozent an der Academia Engiadina in Samedan, Prof. Dr. Jost Schieren, Dekan der Abteilung Pädagogik an der Alanus- Hochschule und Redaktor der "Mitteilungen der anthroposophischen Gesellschaft" in Deutschland (auch gehörte er nach dem Tode von Herbert Witzenmann einige Zeit dem Seminar-Kollegium an). Aus Berlin war über viele Jahre Peter Witt zugegen, der mit dem Seminar zusammen in Berlin die letzte Tagung, die mit Herbert Witzenmann stattfinden konnte, vorbereitete. Er hat während vieler Jahre erkenntniswissenschaftliche Kurse geleitet und die sie begleitenden wertvollen Berliner Hefte herausgegeben und selbst einige Schriften zur Bewusstseinsphänomenologie verfasst. In Dornach traten in jener Zeit Andreas Durrer und Greet Helsen dem Seminar bei und halfen immer wiederum mit, wenn ausserordentliche Organisationsarbeiten anstanden. Andreas Durrer, auch er Schüler von Beppe Assenza, trat später dem Vorstand des Novalis-Hochschulvereins bei, um in seinem Rahmen zusammen mit Greet Helsen eine Mal- schule aufzubauen. Auch bei ihnen kam es zum Bruch mit der Leitung des Novalis-Hoch- schulprojekts, was sie wiederum zurück in die Assenza-Malschule (heute in Münchenstein) führte. Eine zeitlang nahmen sie auch weiterhin an den Seminarveranstaltungen teil. Andreas Durrer steht heute der Alanus-Stiftung vor. - Einige Dozenten aus der Assenza-Malschule, unter denen ich Lasse Legind nenne, gestalteten über Jahre das Seminarleben aktiv mit. - In derselben Zeit lernte auch Haiggi Baumgartner das Seminar und seinen Leiter kennen. Nach seinem Tod wurde er ins Seminarkollegium gerufen und gab im Rahmen der sozialästhetischen Studienjahre wiederholt Geometrie- und Plastizierkurse. Er war 2004 unter den Gründern der Seminarvereinigung und unterstützt heute den Neuaufbau des SeminarVerlags. Haiggi Baumgartner ist Mitarbeiter der Basler Münsterbauhütte, leitet in Basel das Skulpturenatelier, welches viele der plastischen und architektonischen Arbeiten Rudolf Steiners restauriert und konserviert hat, ist freier Bildhauer und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Stilwandel des ersten zum zweiten Dornacher Goetheanumbau. Dann soll auch der kanadische, in Amsterdam lehende Robert Kelder nicht vergessen werden, der schon früh die Seminartagungen in den regionalen Zeitschriften bekannt machte und Berichte für sie schrieb. Er übersetzte viele der gesellschaftsbezogenen Schriften ins Englische und Holländische. Er pflegte den Kontakt zu einem Redaktor der Basler Zeitung, in deren Rahmen ein Dutzend vielbeachteter Artikel von Herbert Witzenmann, meist aus Anlass der christlichen Feste geschrieben, erscheinen konnten. Im Jahr 1985 begründete er in Arlesheim das "Willehalm-Institut", das ein Jahr danach nach Amsterdam verlegt wurde. Siehe http:// willehalm.nl/. Nach dem Tod von Herbert Witzenmann waren es Elisabeth und Johannes Reiter, die an die Seminararbeit herantraten und mit einer eigenen Aufgabenstellung in Bezug auf die Spiritualisierung der Erdenpflege die Seminararbeit bereicherten. Johannes Reiter unterrichtete im Studienjahr und schrieb mehrere Artikel für das Seminar bis in die jüngste Zeit. - In der Phase 2003-2006 unterstützte Roland Neff, Begründer der J. Kreyenbühl- Stiftung, das Seminar durch seine inhaltlichen Beiträge wie organisatorische Mitarbeit. Ebenso nahm gelegentlich Erich Klein, Oberrichter im Ruhestand aus Osnabrück und Mitglied des Gideon-Spicker-Vereinsvorstandes, an den Tagungen teil. So war die erkenntniswissenschaftlich anthroposphische Arbeit des Seminars für viele Menschen über kürzere oder längere Zeit eine bedeutende Hilfe auf der Suche nach geistiger und biographischer Orientierung . Denn das Seminar stellte in all den Jahre für ganz unterschiedliche Menschen einen Ideen- und Sozialraum, in dem Schulung und Übung möglich war. Dies soll in veränderter, dem Fortschreiten der Zeit abgelauschten Formen auch für die Zukunft gelten.









Oben: Fotos der Orte, an denen nach der Jahrtausendwende Tagungen und Seminare stattfanden:
1) Oriago-(Venedig) - 2) Gsteig (Berner Oberland) - 3) Lohnhof, Basel - 4) Berlin, Theaterhaus Mitte - 5) Fribergen (Rigi) - 6) Basel, Matthäusplatz - 7) Basel Schauspielschule am Rappoltshof. 8) Ab 2020: Euchore-Saal, Dorneckstrasse, Dornach.
Herbert Witzenmann zu Aufgaben und Zielen des Seminars
Seine Zusammenarbeit mit Reto Andrea Savoldelli in Dornach 1981-1988
Zur inneren Ordnung des Seminars
Aus der ersten Nummer des SeminarRundbriefs vom Dezember 1977. Die erste Form eines Seminar-Rundbriefes, die es bis Mai 1979 auf sechs Nummern brachte, ging auf eine Initiative von T. Lien, P. Tabouret und R.A. Savoldelli zurück, welche die Einleitung zur ersten Nummer zeichneten. Vom Begründer des Seminars hatten sie einen Beitrag zur Frage der Seminarordnung erbeten. Der Schluss seiner Antwort lautete:
» .. Aus dem Hinblicken auf dieses Urbildliche (dessen wissenschaftlicher, rechtlicher und sozialer Gesichtspunkt zuvor dargestellt worden war, Anm.) und die dadurch gekennzeichneten Aufgaben und Verantwortungen ergibt sich die „innere Ordnung“ des Seminars für Freie Jugendarbeit. - Dies bedeutet, dass innerhalb seines Bereiches keine unmittelbaren Beauftragungen gegeben werden. Vielmehr versuchen jene Menschen, die sich im Hinblick auf das gekennzeichete Urbild zusammenfinden, sich darüber klar zu werden, welche Aufgaben sie im Sinne dieses Urbildes geistig übernehmen und durch entsprechende auch ins Organisatorische reichende Massnahmen verwirklichen können.«
Aus einem handschriftlichen Brief an R.A.Savoldelli
Ostermontag 1984
» ... Ohne in diesen Zeilen auf manches mehr im Persönlichen Liegende, das gewiss auch erwähnenswert wäre, näher einzugehen, möchte ich wenigstens in der Andeutung nochmals (ich habe es ja auch schon früher andeutend getan) sagen, wie ich die Aufgabe sehe. Ich betone, wie ich die Aufgabe sehe, worin zum Ausdruck kommen soll, dass es mir fern liegt, einem anderen die gleiche Auffassung zuzumuten. Jeder ist natürlich frei, sich sein eigenes Urteil zu bilden. Aber ich glaube, wir können uns am besten verständigen, wenn Sie sich das meine vor Augen halten.
Das Seminar betrachte ich, ungeachtet seiner äusseren Unscheinbarkeit und der Unvollkommenheit der Bemühungen, die ich ihm widmen kann, als ein unvergleichliches Kleinod, das in m. Hand gelegt wurde. Dies deshalb, weil es über m. Sektionen (die ich nicht abgegeben habe und die mir auch nie abgenommen wurden) der letzte Rest des alten Goetheanums ist. Ich glaube, Sie verstehen, was damit gesagt ist, auch ohne dass ich die weitreichenden Zusammenhänge entwickele, die dies erläutern. Wenn man an der GV dieses Jahres teilnahm, in der eine tiefgreifende Veränderung der Repräsentation der Freien Hochschule ohne Beteiligung der Gesellschaft - mag darüber auch geheim mit den Generalsekretären verhandelt worden sein - vorgenommen wurde, dann konnte man von der erwähnten Tatsache einen erschütternden Eindruck gewinnen.
Die noch immer nicht abgebrochene, wenn auch durchaus von unserer Verant-wortungsbereitschaft und -fähigkeit abhängige Verbindung mit dem geistigen Lebensstrom, der von der Weihnachtstagung ausgeht, ist in m. Sicht das eine wesentliche Merkmal, das unsere Arbeit kennzeichnet. Das andere wesentliche Merkmal (wiederum in meiner Sicht) ist die Entwickelung einer modernen Strukturphänomenologie nach der Methode der naturwissenschaftlich orientierten seelischen Beobachtung. Damit ist (freilich in den ersten Anfängen) ein unabsehbares Feld der Forschung eröffnet worden. Einige Gebiete dieses Forschungsbereichs konnten, wenigstens im Umriss, gekennzeichnet werden. Ich meine die Wahrheitsproblematik, das linguistische und das ästhetische Problem. Die hier vorliegenden Probleme werden von der etablierten Universitäts-wissenschaft teils als unlösbar betrachtet, teils in ihrer strukturphänomenologischen Eigenart überhaupt nicht gesehen. Auch Ansätze zu einer strukturphänomenologischen Psychologie (ein Forschungsanliegen höchsten Ranges) liegen (neben anderem) vor. Die Ausführung jedes dieser Umrisse würde ein langes entsagungsreiches Forscherleben erfordern. Aber auch zahllose hochinteressante Einzelprobleme werden in dem angedeuteten Forschungsrahmen ersichtlich. Ich nenne nur wenige Beispiele, etwa die Strukturphänomenologie des Wiedererkennens, der Reizschwellen, des Lernens.
Ich möchte damit andeuten, dass das Seminar nicht nur an eine unerschöpfliche Vergangenheit, sondern auch an eine unerschöpfliche Zukunft angeschlossen ist und dass es durch seine Stellung im Vereinigungspunkt beider Ströme seine Gegenwartsnähe erhält.
Hierzu kommt noch ein Drittes. Die Möglichkeit zu stiller, der Geltung entsagenden Forschung wird (ebenso was die hierbei in Betracht kommenden inneren wie auch die äusseren Bedingungen angeht) nicht vielen Menschen gewährt. Aber etwas anderes ist im Grunde (d.h. bei dem die rechte Einsicht begleitenden Entschluss) jedem Menschen möglich. Und auch dies gehört zu den besonderen Aufgaben und in seinem Wesen liegenden Möglichkeiten des Seminars. Wenn auch nicht jeder im Dienste grosser Forschungsbereiche und -aufgaben forschen kann, so kann sich doch jeder die aus der strukturphänomenologischen Betrachtungsweise hervorgehende Bewusstsseinshaltung aneignen. Diese zu vermitteln, ist vielleicht die wichtigste Aufgabe des Seminars. Sie erhält diese Präferenz allerdings erst, wenn man ihrer moralischen Konsequenzen inne ist. Denn die vollwache durch strukturphänomenologische Übungsbemühung erlangte Bewusstseinshaltung bringt die alte instinktive Moralität mehr oder minder vollständig zum erlöschen. Dies ist einerseits die grosse Gefahr dieses Schulungsweges, anderseits seine grosse Verheissung. Denn wenn sich Menschen, ungestützt von instinktiver Gutartigkeit des Gemüts, aus vollbewusster Einsicht zu der geliebten Aufgabe eines Zusammenwirkens nach dem sozialen Hauptgesetz (d.h. ohne den Lohnempfang des eigenen Entwicklungsfortschritts, sondern aus einer auf Selbstversorgung verzichtenden Hingabe an den mitmenschlichen Bedarf) zusammenschlössen, dann würde das Modernste und Zukunftträchtigste, das überhaupt möglich ist, geschehen.
In dem Versuch, ein solches Zusammenwirken seiner Mitarbeiter und Teilnehmer anzuregen, liegt in m. Sicht die wichtigste Aufgabe des Seminars. Ich bin mir bewusst, wie wenig ich zu ihrer Lösung bisher beigetragen habe. Jedes Bemühen im Dienste dieser Aufgabe würde aber das Kleinod zum Aufleuchten bringen. (Der folgende, letzte Satz war eine handschriftliche Hinzufügung zu dem von der Sekretärin maschinengetippten Brief) Dies ist das Wichtigste, das Christliche...«
Aus einem handschriftlichen Brief an Reto Andrea Savoldelli
2. Nov. 1984
Witzenmann und Savoldelli ergriffen nach manchen, weit in die Vergangenheit zurückreichenden Erwägungen im Jahr 1984 die Initiative, unter der Bezeichnung Sozialästhetitsches Studienjahr ab Herbst 1985 in Dornach einen einjährigen Einführungskurs in die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners anzubieten. Einen diesbezüglichen, bis ins Einzelne der Stundenplangestaltung und Mitarbeiterplanung betreffenden Briefwechsel gab es bereits im Jahr 1978, in dem Savoldelli Witzenmann unter anderem vorgeschlagen hatte, die Bezeichnung Sozialästhetisches Studienjahr anstelle der von Witzenmann verwendeten Bezeichnung Seminar für Sozialwissenschaft zu verwenden („um von allem Anfang an den Dualismus und die Möglichkeit der dadurch entstehenden Kluft zwischen theoretischen (begrifflichen) und praktischen (künstlerischen) Übstunden zu überwinden.“ 26.03.78)
Im Zusammenhang der neu ergriffenen Initiative bat Witzenmann Savoldelli um eine Skizze für die programmatische Einführung in das Studienjahr, die ihm zu schreiben oblag. Auf jene bezieht sich der folgende Brief.
Lieber Herr Savoldelli,
ich komme erst heute dazu, Ihnen sehr herzlich für die Überreichung Ihrer vortrefflichen Bemerkungen zum Seminarprospekt zu danken! - Sie haben mir damit eine höchst willkommene Anregung vermittelt. Diese hat aber auch dazu geführt, dass es mir ratsam erschien, die Universalie, deren ich inne wurde, noch durch einige Nächte zu verfolgen. Daher kann ich Ihnen mein Manuskript zu meinem Bedauern erst heute überreichen, - dazu noch in Handschrift, da Frau Gain (seine ihm von der Witzenmann GmbH zugewiesene Sekretärin, Anm.) z.Zt. nicht arbeitet. Ich habe versucht, eine kurze Charakteristik eines modernen geistigen Schulungsweges zu geben, die eine entschiedene Absage an den z.Zt. vom Goetheanum ausgehenden teils glitzernd anreizenden, teils einschläfernden Trug darstellt. - Nun wartet wieder ein tüchtiges Stück Arbeit auf Sie. Haben Sie dafür zum Voraus vielen Dank!
Mit herzlichen Grüssen auch an Frau und Töchterlein,
Ihr Herbert Witzenmann
Aus einem handschriftlichen Brief an Reto Andrea Savoldelli
6. April 1985
» .. Ich glaube, wenig geltundsbedürftig zu sein, wenn ich auch das Beschwingende verständnisvoller Zustimmung gerne empfinde und den störenden Einfluss von Unverständnis und Verkennung gelegentlich nicht ohne Unmut abwehren muss. Doch, wo es sich um die richtige Einschätzung und Verbreitung meiner Arbeit und der von ihr ausstrahlenden Bestrebungen handelt, bin ich mit dem grössten Interesse beteiligt. Denn ich bin davon überzeugt, dass es sich hierbei um einen wesentlichen Beitrag der Erschliessung des Werkes Rudolf Steiners handelt, der ausserhalb der in unserem Kreise geleisteten Bemühungen, nach meiner Kenntnis, nirgends oder allenfalls nur in Andeutungen geleistet wird. Wäre ich von der Bedeutung der durch diese Bestrebungen verfolgten Methodik und deren, freilich noch anfänglichen, doch unabsehbar vermehrbaren Ergebnissen nicht fest überzeugt, würde ich es für ein Unrecht halten, sie an die Öffentlichkeit zu bringen und andere anzuregen, sich ihnen anzuschliessen.
Da ich aber im Gegenteil fest entschlossen bin, alles in meinen Kräften Stehende zu tun, um das Begonnene, solange es mir vergönnt ist, zu erweitern und zu vertiefen und die Wirksamkeit des bereits Vorhandenen zu verstärken, bin ich beglückt, wenn ich einem so nachdenklichen und selbständigen Eingehen auf meine Intentionen wie dem Ihrigen begegne.
Es ist mir bisher keine ausführliche, in gedruckter Form vorliegende Darstellung bekannt geworden, die so gut wie die Ihrige geeignet wäre, innerlich Vorbestimmte an unsere Bestrebungen heranzuführen und übelwollende Tendenzen von diesen abzuwehren. Sie haben auch der geschichtlichen, zu einem Teil sehr ungünstigen Zusammenhänge gedacht, in denen meine Arbeit stand und (wenn auch unter veränderten Aspekten) immer noch steht. Meine (wie ich bekenne, tiefe) persönliche Betroffenheit durch diese kann vergessen werden, wenn auch wohl nicht ganz vergessen werden sollte, dass von der Art, in welcher die Arbeitsleistung eines Menschen von einer Gemeinschaft aufgenommen oder nicht aufgenommen wird, Wesentliches für deren Entwicklung abhängen kann (in den Mysteriendramen findet man dazu Hinweise).
Nicht vergessen werden darf aber, dass das gegen mich und meine Arbeit Geschehene zur Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft und der Hochschule gehört. Dass dabei auch mein eigenes Unzureichen mitverantwortlich ist, stelle ich keineswegs in Abrede. Doch hätte das auf meiner Seite Mangelnde durch verständnisvolles Tragen seitens der Mitverantwortlichen kompensiert werden können. Vergessen darf dabei auch nicht werden, dass sich ein Teil des Hasses, der sich gegen Steffen richtete und richtet, auf mich übertrug, dass aber auch noch ein ganz spezifisch mir geltender Hass hinzutrat.
Lieber Herr Savoldelli, aus den genannten Gründen, die ich glaube als objektive bezeichnen zu dürfen, war und ist es mir eine grosse Freude, dass Sie so eindeutig auf die ideellen Motive meiner Arbeit, deren neuen Ergebnisse und ihre Bedeutung für die Kenntnisnahme von Rudolf Steiners Werk sowie ihren Versuch, einen Beitrag zur geistigen Situation zu geben, eingingen …«
Beim Überreichen des Buches „Schülerschaft im Zeichen des Rosenkreuzes“
Brief vom 20. Feb. 1986
Lieber Herr Savoldelli,
ich freue mich, Ihnen hiermit "Schülerschaft im Zeichen des Rosenkreuzes", das Buch, an dessen Entstehung auch Sie beteiligt sind, zu überreichen. Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit meine gesinnungsmässig andauernde Dankesverbundenheit zum Ausdruck bringen, die ich Ihrer unermüdlichen, erkenntnisbegründeten Mitwirkung an unserem Bemühen für das Werk Rudolf Steiners gegenüber empfinde. Ich zögere auch nicht, es von neuem auszusprechen, weil dies meine tiefste Überzeugung ist, dass ich nichts anderes zu erkennen vermag, dem grössere Bedeutung zukäme, als der Vorbereitung neuer Wirkensstätten für das bevorstehende neue Erdenwirken Rudolf Steiners.
Mit herzlichen Grüssen,
Ihr H. Witzenmann
Aus zwei Briefen, geschrieben an R.A.Savoldelli im Juni und Juli 1988
nach Kenntnisnahme der Absicht Savoldellis, die Geschichte seines Wirkens im Vorstand am Goetheanum darzustellen, woraus er die ersten 30 Seiten noch lesen konnte.
"Dass Sie sich der schwierigen und beunruhigenden, aber höchst wichtigen und gewiss Wesentliches erschliessenden Arbeit zur Gesellschaftsdokumen-tation widmen wollen, erfüllt mich mit grosser Befriedigung. Denn hier ist Wichtiges und Geschichtsgültiges zu leisten und ich habe ja meinerseits durch meine diesen Gegenstand betreffenden Publikationen hierzu einiges Anregendes beizutragen versucht ..."
(Brief vom 24. Juni 1988)
"Lieber Herr Savoldelli, ich kam noch nicht dazu, deutlich genug auszusprechen, wie sehr ich mich darüber freue, dass Sie sich entschlossen haben, Ihre Zeit und Kraft einer Dokumentation über die Gesellschaftsge-schichte zu widmen. Die Beschäftigung mit diesen zum Teil sehr unerfreulich schwierigen Dingen fordert gewiss Entsagung, gehört aber auch zum Interessantesten für den Erforscher der sozialen Verhältnisse .."
(Brief vom 27. Juli 1988)
«Neues über die Bemühungen um ein Sozialästhetisches Schulungszentrum werde ich stets mit Anteilnahme vernehmen.»
So lautete der letzte Satz eines Briefes von H.Witzenmann vom 5.Mai 1988, wenige Monate vor seinem Tod.
